25.04.2022 - Bis Ende März standen wir in Kontakt, tauschten uns über seine Texte aus, schmiedeten Pläne für die Zukunft. Für die Zeit, wenn er sich erholt und neue Kraft getankt hat, um wieder zu schreiben. Zu schreiben über das, was er so liebte: Spiele. Und die Köpfe dahinter: Autoren, Verlagsmitarbeiter. Auch wenn er Ende März nicht mehr so optimistisch klang wie noch Anfang des Jahres. „Plane nicht mehr mit mir“, schrieb Wieland Herold am 27. März. Am 21. April ist er nach langer, schwerer Krankheit gestorben im Alter von 71 Jahren. Redaktion und Verlag der spielbox sind traurig. Wir haben einen tollen Kollegen verloren.
Wieland Herold war nicht nur Kritiker. Auch, natürlich, seit 1994 zum Beispiel als Mitglied der Jury Spiel des Jahres. „Die Siedler von Catan war mein erster Preisträger“, erzählte er gern. Er war also mittendrin, als die Zeitenwende einsetzte. Eine Zeitenwende, die unter anderen deswegen möglich wurde, weil es Menschen wie Wieland gab, die im Hintergrund auch an der Professionalisierung der Szene arbeiteten und denen es um mehr ging, als einem Spiel eine Note zu geben.
Als er noch als Lehrer in Göttingen war, lernte er Reinhold Wittig kennen und war schon bald mit im Organisationsteam des Autoren-Treffens. Er veröffentlichte seit 1989 zusammen mit seiner Frau Cordula die Zeitschrift „Spiel & Autor“, nach einer Idee von Wittig. Die beiden führten das auch fort, nachdem sie nach Oldenburg umgezogen waren, wo Wieland Direktor des Neuen Gymnasiums wurde, an dem es selbstredend wie schon an seiner Schule in Göttingen eine Brettspiel-AG gab und das er für die Oldenburger Spieletage als Veranstaltungsort gern öffnete. Bis zuletzt war er dem Göttingener Autorentreffen verbunden, kümmerte sich um das Nachwuchsstipendium, das nach dem Tod dessen Erfinders Friedhelm Merz auf Initiative von Wieland vom Verein Spiel des Jahres finanziell am Leben gehalten wurde.
Auch journalistisch trieb ihn das Thema um: Gern stellte er neue, junge Autoren vor, widmete sich Verlagen, die noch frisch am Markt waren, war neugierig auf ihre Spiele, tauchte mit Hingabe nach Perlen abseits des Mainstreams. Auch für die spielbox waren noch viele Texte geplant. Er steckte voller Ideen.
Zum Team der spielbox stieß Wieland 1993, vorher hatte er bereits für das Göttinger Tageblatt Spielekritiken geschrieben und eine Kolumne in der Alfelder Zeitung betreut. „Alea“ hieß eine von ihm selbst herausgebrachte Zeitschrift an seiner Schule, zudem gab es 1993 bei Rowohlt das Buch „Tolle Spiele – selbst gemacht“, veröffentlicht zusammen mit seiner Frau. In Heft #3/93 erschien sein erster Text: „Gute Chancen für Autoren-Nachwuchs“ über den Autoren-Wettbewerb in Herne. Schon 1993 befasste er sich mit dem Thema, dass es so wenig Spieleautorinnen gab, also lange, bevor die Diskussion in der Szene breiteren Raum einnahm. In Heft #4/94 erschien dann seine erste Rezension in der spielbox, eine Doppelkritik-Spielwiese zum von ihm gelobten Taktvoll von Karsten Adlung und zu Logo-Note von Horst Hoffmann, bei dem „der Spielspaß aber etwas auf der Strecke“ blieb. Schon da zeigte sich, dass Wieland gern auch Unbekanntes vorstellte.
In Heft #6/95 erschien dann die erste „große“ Rezension, es ging um Reinhard Staupes Kartenspiel Speed, das gleich einmal eine 9 bekam. Der Kreis schloss sich in der jüngsten spielbox mit Azul: Die Gärten der Königin, der letzten Rezension aus seiner Feder. Auf seiner Homepage mit80.de widmete er sich zuletzt am 19. Dezember vergangenen Jahres Explorers von Phil Walker-Harding. Zuvor hatte er bereits in der Reihe „Es war einmal“ Kritiken aus den Jahren 1990 bis 2010 veröffentlicht. Es hat etwas von einem Vermächtnis einer langen Kritiker-Karriere.
In deren Fokus immer auch Kinderspiele standen. Seit 2002 betreute er diese Seiten in der spielbox, mit wechselnden Partnern. Wieland Herold blieb die Konstante, spielte liebend gern mit seinen sieben Enkeln. Er war seinerzeit einer der Köpfe hinter der Idee, das Kinderspiel des Jahres zu einem der Hauptpreise der Jury zu machen. Viele Jahre war er der Koordinator der Kinderspieljury.
Daran zeigte sich auch ein wesentlicher Zug des Spielers Wieland Herold. Er hatte einfach Lust zu spielen. Hauptsache, alle am Tisch haben Spaß, egal ob Klein oder Groß. Und erst recht egal, wer gewinnt. Es ging Wieland um das gemeinsame Erleben, um eine gute Zeit für alle, nicht um Siegpunkte. Ich erinnere mich an ein geradezu spitzbübisches Grinsen, wenn er in unserem Spieletreff zu Gast war und seine Mitspieler in einer Partie beobachtete, um zu sehen, was das Spiel mit uns macht. Leider haben wir zu selten die Zeit gefunden, miteinander zu spielen.
Andreas Becker