16.07.2022 - Diesen Abend wurden in Berlin die Gewinner des "Spiel des Jahres" und "Kennerspiel des Jahres" gekürt, und beide machen die Spielenden zu Bewahrern der Natur. Zum "Kennerspiel des Jahres" wurde Living Forest von Aske Christiansen gewählt, erschienen bei Pegasus Spiele / Ludonaute. Die Jury begründete ihre Wahl: "Drei zentrale Faktoren machen den Nervenkitzel und Reiz von Living Forest aus: Das spannende Wettrennen auf zwölf Punkte, das riskante Zocken beim Kartenaufdecken und die hohe Interaktion mit den Mitspielenden. Besonders motivierend sind die drei unterschiedlichen Siegbedingungen, die für einen hohen Wiederspielreiz sorgen und je nach Spielverlauf für eine sich stets veränderte Dynamik sorgen." Ein brennender Wald bedroht alle Spielenden gleichermaßen, weshalb sie zusammenarbeiten, um Flammen zu löschen, neue Bäume zu pflanzen und magische Lotusblüten zu sammeln. Der dänische Autor stimmte zu, dass das Thema durchaus ein Kommentar der tatsächlichen ökologischen Situation sei, in der alle Menschen Verantwortung übernehmen müssten, um die Natur zu retten. Als Inspiration zitierte Christiansen "Prinzessin Mononoke", einen Zeichentrickfilm des japanischen Studio Ghibli, der sich ebenfalls mit Umweltzerstörung auseinandersetzt. In der Entwicklung des Spiels begannen die Feuer einst als Wikinger, bevor das Setting wechselte. 

 

 

Nominiert waren außerdem Cryptid (Osprey Games / Skellig Games) von Hal Duncan und Ruth Veevers, die als Informatikerin ein eigenes Computerprogramm schrieb, um die Idee umzusetzen, sowie Dune Imperium (Dire Wolf) von Paul Dennen, der schon seit dem Teenageralter ein Fan von Frank Herberts Buchvorlage war.

Als "Spiel des Jahres" prämierte die Jury Cascadia (Flatout Games / AEG / Kosmos) des US-Amerikaners Randy Flynn, der die Trophäe im schwarzen Kilt entgegennahm. Hier lautete die Begründung wie folgt: "Cascadia ist ein wahres Wohlfühlspiel. Die Spielzüge sind immer belohnend, selbst wenn die angebotene Auswahl nicht immer passend liegt. Besonders gelungen ist die zweigeteilte Puzzleaufgabe, für die eine gute Balance zwischen den passenden Landschaften mit den richtigen Tiersymbolen gefunden werden muss. Für die hohe Wiederspielbarkeit sorgen die modularen Regelkarten, die die Spielenden jede Runde vor neue Herausforderungen stellen sowie eine optionale Kampagne." Im Grenzgebiet zwischen dem Nordwesten der USA und Kanada tummelt sich eine reiche Tierwelt, der es möglichst lauschige Biotope mit zusammenhängenden Landflächen einzurichten gilt; Füchse, Bussarde, Hirsche und Lachse haben ganz eigene Bedürfnisse, wobei Bären mal als Einzelgänger und mal als Rudeltiere behandelt werden wollen. Flynn erzählte, dass er selbst seit Jahrzehnten gern durch die nordamerikanischen Cascade-Berge wandert, die den Hintergrund für seine Idee lieferten. Es sei "erstaunlich, wie viele Menschen es braucht, um solch ein Spiel so gut zu machen", dankte der Autor seinen zahlreichen Spieltestern.

 

 

Ebenfalls zum "Spiel des Jahres" nominiert waren Scout (Oink Games) von Kei Kajino, der das Zirkusthema wählte, um ein buntes Spiel für ein möglichst internationales Publikum zu gestalten, und das Partyspiel Top Ten (Cocktail Games / Asmodee) von Aurélien Picolet, der im Einhorn-Hut erzählte, dass sein Spiel schon vor der Pandemie entwickelt wurde und deshalb nicht unter Corona-Einschränkungen litt.

Jurymitglied Manuel Fritsch führte durch die Zeremonie. Der SdJ-Vorsitzende Harald Schrapers erwähnte in seiner Eröffnungsrede die E-Mail eines Ukrainers, der berichtete, wie sein eigenes Haus von einer Rakete zerstört wurde, und der jetzt trotzdem einen Brettspieltreff in einer örtlichen Bibliothek eröffnen will; dafür sponsert der Verein die nötigen Spiele. Die Nominierten seien dieses Jahr so international wie noch nie, aus Europa, Amerika und Japan, und sämtliche Urheber/innen reisten persönlich zur Preisverleihung an. Sechs "brillante" Spiele hätten sich gegen deutlich mehr als 300 Neuerscheinungen durchgesetzt, so Schrapers weiter, und die Entscheidungen seien der Jury sehr schwer gefallen.

In einem Interview mit Jurysprecher Bernhard Löhlein erinnerte sich Sagaland-Autor Michel Matschoss an seinen "Spiel des Jahres"-Sieg von 1982, als er als erster deutschsprachiger Autor gemeinsam mit dem 2004 verstorbenen Alex Randolph den Preis holte. Vor 40 Jahren sei die Verleihung in einer Volkshochschule noch etwas weniger glamourös gewesen als heute, doch aufgeregt sei er damals ebenso gewesen wie die heutigen Nominierten. Matschoss traf Randolph, der dieses Jahr 100 Jahre alt geworden wäre, auf der Nürnberger Spielwarenmesse, wo sie sich sofort gut verstanden; er beschrieb seinen Kollegen als einnehmende, charmante, weltgewandte Persönlichkeit mit großem Erfahrungsschatz. Alex Randolph, der in Venedig lebte, habe der Welt bekannt gemacht, dass hinter jedem Spiel ein Autor stecke, indem er darauf bestanden habe, dass sein Name auf der Spieleschachtel abgedruckt werde. Er habe das Spiel aus der "Kinderstube" geholt und zu einem Kulturgut für alle gemacht. Vor Sagaland feilten die beiden an einem "Fake"-Spiel, allein schon, um miteinander in Kontakt zu bleiben, bis dann Randolph eines Tages sagte, sie müssten sich ein "richtiges" ausdenken. Ein Verlag hatte nämlich ein Märchenspiel angefragt, und Matschoss kannte sich mit Märchen gut aus. Bei einem Treffen im Dornröschenschloss Sababurg wurde das Konzept im Eiltempo fertig. Bis heute ist Sagaland laut Michel Matschoss beliebt, weil es mit Memory-, Renn- und Schadenfreude-Elementen Familien mit Kindern, Eltern und Großeltern Spaß mache. Nach Unterschieden zwischen der damaligen und der heutigen Spieleszene gefragt, sagte Matschoss, dass Erwachsene vor 40 Jahren noch kaum gespielt hätten, und heute sei das Spieleangebot deutlich vielfältiger, habe eine bessere Qualität und schönere Illustrationen. Einfachere Titel hätten sich gehalten, komplexere seien wieder verschwunden - deshalb müsse man wissen, für wen man Spiele mache.

Als "Kinderspiel des Jahres" war schon im Juni Zauberberg von Jens-Peter Schliemann und Bernhard Weber (Amigo) ausgezeichnet worden. Gewinner, Nominierte und weitere Titel auf den Empfehlungslisten finden sich hier. (th)

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This evening in Berlin, the winners of the "Spiel des Jahres" and "Kennerspiel des Jahres" awards were honored, and both turn players into preservers of nature. The "Kennerspiel des Jahres" for experienced players is Living Forest by Aske Christiansen, published by Pegasus Spiele / Ludonaute. The jury explained their choice: "There are three key factors to the thrill and attraction of Living Forest: the exciting race to twelve points, the risky gamble of when to stop revealing cards, and the high level of interaction with your opponents. The three different victory conditions are especially motivating, ensuring a high level of replayability and a different dynamic to each new game." A burning forest threatens all players equally, so they work together to extinguish flames, plant new trees, and collect magical lotus blossoms. The Danish author agreed that the theme is indeed a commentary on the real-life ecological situation, where all people must take responsibility to save nature. As inspiration, Christiansen cited "Princess Mononoke", an animated film by Japan's Studio Ghibli, which also deals with environmental degradation. In the game's development, the fires had once started out as Vikings before the setting changed.

The other Kennerspiel nominees were Cryptid (Osprey Games / Skellig Games) by Hal Duncan and Ruth Veevers, who as a computer scientist wrote her own program to implement the idea, as well as Dune Imperium (Dire Wolf) by Paul Dennen, who had been a fan of Frank Herbert's book since his teens.

As "Spiel des Jahres", the jury chose Cascadia (Flatout Games / AEG / Kosmos) by US-American Randy Flynn, who accepted the trophy in a black kilt. Here the reasoning was as follows: “Cascadia is a real feel-good game. You can always achieve something on your turn, even if the choices on offer aren’t exactly what you wanted. The two-part puzzle is especially successful, requiring players to find a good balance between matching landscape tiles and playing the right animal symbols. The modular rule cards give the game a high level of replayability, presenting players with new challenges every time, as well as an optional campaign mode." The borderlands between the northwestern U.S. and Canada are teeming with wildlife, which must be provided with cozy biotopes with contiguous land areas; foxes, buzzards, deer and salmon have their own unique needs, with bears sometimes wanting to be treated as loners and sometimes as pack animals. Flynn recounted that he himself had been hiking through North America's Cascade Mountains for decades, which provided the background for his idea. It was "amazing" how many people it took to make such game this good, the author thanked his many playtesters.

Other "Spiel des Jahres" nominees were Scout (Oink Games) by Kei Kajino, who used a circus theme to create a colorful game for as international an audience as possible, and the party game Top Ten (Cocktail Games / Asmodee) by Aurélien Picolet, who, wearing a unicorn hat, mentioned that his game was developed before the pandemic and therefore did not suffer from any COVID restrictions.

Jury member Manuel Fritsch led the ceremony. In his opening speech, SdJ chairman Harald Schrapers mentioned the e-mail of a Ukrainian whose own house was destroyed by a missile and who now wants to open a board game club in a local library; for this project, the association is sponsoring the necessary games. This year's nominees were more international than ever before, from Europe, America and Japan, and all designers traveled to the awards ceremony in person. Six "brilliant" games had prevailed against well over 300 new releases, Schrapers continued, and the decisions had been very difficult for the jury.

In an interview with jury spokesman Bernhard Löhlein, Sagaland designer Michel Matschoss recalled his "Spiel des Jahres" victory in 1982, when he was the first German-language author to win the prize along with Alex Randolph, who passed away in 2004. Forty years ago, he said, the awards ceremony at an adult education center was a little less glamorous than it is today, but he was just as excited then as today's nominees. Matschoss met Randolph, who would have turned 100 this year, at the Nuremberg Toy Fair, where they immediately hit it off; he described his colleague as an engaging, charming, worldly personality with a wealth of experience. Alex Randolph, who lived in Venice, had made it known to the world that there was an author behind every game by insisting that his name be printed on the box. He had taken the game out of the "nursery" and made it a cultural asset for everyone. Before Sagaland, the two of them had been working on a "fake" game, if only to keep in touch with each other, until one day Randolph said they had to come up with a "real" one. A publisher had asked for a fairy tale game, and Matschoss knew fairy tales well. At a meeting in the Sleeping Beauty Castle Sababurg, the concept was ready in a rush. According to Michel Matschoss, Sagaland is still popular today because its memory, racing and schadenfreude elements make it fun for families with children, parents and grandparents. Asked about differences between the game scene then and now, Matschoss said adults hardly ever played 40 years ago, and today the range of games is much more diverse, has better quality and more beautiful illustrations. Simpler titles had survived, while more complex ones had disappeared - which is why one had to know who one was making games for.

In June, Zauberberg by Jens-Peter Schliemann and Bernhard Weber (Amigo) had been named "Kinderspiel des Jahres" as the best children's game. Winners, nominees and other titles on the lists of recommended games can be found here.